In einer aktuellen Studie, zur Erforschung der objektiven Messung des Vertrauensniveaus in Paarbeziehung, werden die verschiedenen wissenschaftlich relevanten Faktoren für Vertrauen in der Paarbeziehung zusammengefasst. Hierzu zählen das Vertrauen die Zuversicht einer Person beinhaltet, das persönliche Bedürfnisse seitens der Person der sich anvertraut wird erfüllt werden. Zudem beinhaltet es die Bereitschaft sich für die Beziehung mit individuellen Ressourcen zu engagieren. Zuletzt wird angeführt, das Vertrauen in der Partnerschaft ein Risiko beinhaltet, dass die Person, der sich anvertraut wird, die Investitionen des/der Anderen missachtet (Koller, 1988, S.265-276 in Kleinert at al., 2020, S.2).
Die Autoren dieser Studie kritisieren jedoch, dass die berichteten Faktoren, welche das Vertrauen beeinflussen sehr unspezifisch sind. Eine spezifischere Beschreibung dessen was Vertrauen in der Paarbeziehung ausmacht, liefert John Gottman. Er ist einer der bedeutsamsten Paarforscher und hat sich die Ergründung dessen was Paare zusammenhält, zur Lebensaufgabe gemacht. Der Experte der Paarbeziehung liefert aus jahrelanger wissenschaftlicher Beobachtung von Paaren eine detaillierte Beschreibung der Interaktionen, die in der Paarbeziehung den Grad an Vertrauen beeinflussen. Er betrachtet Vertrauen nicht als Persönlichkeitsmerkmal, sondern interaktionell, als ein veränderbarer und erwerbbarer Zustand zwischen zwei Partnern. Vertrauen bedeute nicht die Bedürfnisse des Anderen über die Eigenen zu stellen, vielmehr betrachtet Gottman Vertrauen im Sinne des Nashgleichgewichts aus der Perspektive der Spieltheorie nach John Nash . Beim sog. Nashgleichgewicht erhalten beide beteiligten „Spieler“ am Ende den maximalen Gewinn, keiner kann durch einseitiges Verhalten seinen Gewinn mehr erhöhen. In der Paarbeziehung sei es ähnlich, es gehe zusätzlich darum nicht nur die Motivation zu haben, den eigenen Gewinn zu erhöhen, sondern auch den des Partners. Hierfür sei Vertrauen notwendig. (Vgl.Gottman 2017, S.26 – S.27). Gottman definiert Vertrauen in der Paarbeziehung als „(…) ein ganz bestimmter Zustand, bei dem beide Seiten bereit sind zum Wohl des Partners das eigene Verhalten zu ändern. Je mehr Vertrauen in einer Beziehung vorhanden ist, umso mehr achtet man aufeinander und findet Rückhalt im Partner.“ (Gottman, 2017, S.26). Dazu gehöre zudem das sich gegenseitige wohlwollendes Beziehen auf den Erfolg und Misserfolg des/der Partners:in (Vgl. S.26).
Die „Abstimmung“ sei dabei das Verhalten beider Partner, welches entscheidend sei, damit Vertrauen in der Partnerschaft etabliert und langfristig erhalten werden kann. Mit „Abstimmung“ meint Gottman „(…) das Bedürfnis und die Fähigkeit, das Innenleben des Partners zu verstehen und zu respektieren.“ (Gottman 2017, S.57), wird das Verstandene liebevoll kommuniziert entstehe Intimität in der Beziehung (Vgl. Gottman 2017, S.126). Bei mangelnder Abstimmung sei es den Partnern nicht möglich sich gegenseitig zu verstehen und zu unterstützen (vgl Gottman 2017, .S.57). Momente in denen die Abstimmung in der Paarbeziehung zum Vorschein kommen bezeichnet Gottman als die „Schiebetür-Momente“, nach dem Film „sliding doors“. In diesem Moment zeige ein/e Partner:in ein Bedürfnis und der Andere hat die Entscheidungsmöglichkeit, die Tür auf zu schieben und sich auf das Bedürfnis des Partners zu beziehen, oder sich abzuwenden. Das sich dem Partner Zuwenden ist nach Gottman der entscheidende Faktor um Vertrauen zu entwickeln und zu leben. Für diese Schiebetürmomente liefert Gottman ein Beispiel aus seiner eigenen Beziehung:
„One night, I really wanted to finish a mystery novel. I thought I knew who the killer was, but I was anxious to find out. At one point in the night, I put the novel on my bedside and walked into the bathroom. As I passed the mirror, I saw my wife’s face in the reflection, and she looked sad, brushing her hair. There was a sliding door moment. I had a choice. I could sneak out of the bathroom and think, “I don’t want to deal with her sadness tonight, I want to read my novel.” But instead, because I’m a sensitive researcher of relationships, I decided to go into the bathroom. I took the brush from her hair and asked, “What’s the matter, baby?” And she told me why she was sad.
Now, at that moment, I was building trust; I was there for her. I was connecting with her rather than choosing to think only about what I wanted. These are the moments, we’ve discovered, that build trust.“ (John Gottman on Trust and Betrayal”, 28. Oktober 2011, https://greatergood.berkeley.edu/article/item/john_gottman_on_trust_and_betrayal)
Dabei betont Gottman die Bedeutung unserer Reaktionen in solchen „Schiebetür-Momenten“. Häufen sich solche Momente, in denen der Partner nicht auf das Bedürfnis des Anderen eingeht (sich wieder dem Krimi zuwendet, anstatt der traurigen Frau), schleichen sich Risse in die Verbundenheit, mindestens einer der beiden Partner beginne an seinem Status zu zweifeln und die Beziehung drohe zu scheitern. Diese Risse würden sich dann noch beheben lassen, in dem der Partner, bei Konfrontation mit dem frustrierten Bedürfnis des Anderen, ihn wahrnimmt und für sein Verhalten Verantwortung übernimmt (Vgl. Gottmann, 2017. S.59). Diese Fähigkeit, auf die negativen Affekte des Partners einzugehen, sei entscheidend für eine stabile Paarbeziehung und dem Erhalt von Vertrauen (Vgl., Gottman in Roesler 2018, 149-150). Ein Schüler von Gottman hat das sich positive Zuwenden in diesen „Schiebetürmomenten“ als Einstimmen bezeichnet, in Englisch „attune“ und genauer beschrieben. Attune beinhaltet nach Dan Yoshimoto: (direkt zitieren auf englisch, indirekt auf deutsch)
Gottman betont, dass es bei diesem Prozess der Abstimmung darum gehe, den Partner zu verstehen, seine Gefühle zu akzeptieren und Unterstützung zum Ausdruck zu bringen.
Ester Perel eine renommierte Paartherapeutin führt ähnliche Faktoren an, welche das sich Einstimmen auf den anderen Partner ausmachen: dem Anderen Respekt, Fairness, Einfühlungsvermögen und Aufrichtigkeit zu zeigen. Zusätzlich gehöre dazu, dass Paare tagsüber offen über ihre Gedanken und Gefühle sprechen, dies könne ein hohes Maß an Vertrauen und Verbindung herstellen. In sexueller Hinsicht ermögliche die Vertrautheit, dem Partner das Gefühl angenommen zu sein, wie er ist. In dieser Vertrautheit entspringe auch die Möglichkeit sexuelles Verlangen zu artikulieren (vgl. Love Patricia in Perel, 2021, S.50). Aus den Erkenntnissen Gottmans und den Beschreibungen Patricia Love geht hervor, durch welches Verhalten sich Vertrauen in der Partnerschaft ausdrückt und durch welche Gesten es bewusst, oder unbewusst wahrgenommen werden kann.